Einleitung in die Talentförderung
Die Talentförderung, ein komplexes Feld, das nicht nur die jungen Athleten selbst, sondern auch deren Familien tiefgreifend beeinflusst, beginnt oft schon im jungen Alter. Sobald Eltern sich entscheiden, ihr Kind in die Förderung, etwa in einem Stützpunkt, zu geben, beginnt eine transformative Reise. Diese Entscheidung markiert den ersten Schritt in eine Welt voller Herausforderungen und Chancen und ist ein zentraler Aspekt der Talentförderung.
Die Rolle der Eltern in der Talentförderung
Ich bekomme von Sporteltern, aber auch von Nachwuchstrainerinnen und Nachwuchstrainern an Leistungszentren und Förderstützpunkten, von Sportpsychologen, Beauftragten im Elternmanagement, oder vielen anderen Verantwortlichen in der Talentförderung immer wieder die gleiche Frage gestellt:
„Ab welchem Alter macht sich die Talentförderung für die Familien der Talente bemerkbar? „
Die Antwort ist so einfach wie naheliegend: Sobald sich die Eltern eines Sporttalents dafür entscheiden, ihr Kind in die Förderung zu geben. Das kann schon mit 7 oder 8 Jahren und in praktisch jeder Sportart der Fall sein. Für die meisten Kinder und ihre Familien beginnt der Weg aber über den Breitensport mit ersten Sichtungs- und Auswahlmaßnahmen professioneller Vereine und Verbände. Von diesem Zeitpunkt an sind die Eltern mit im Boot, müssen mit vollem Einsatz und stets bedingungslos unterstützen, brauchen dann ein „Fullservice“-Angebot aus Information, Kommunikation und Prävention. Ab dann muss das partnerschaftliche Elternmanagement Teil der Förderung und im Idealfall der Kultur in der Sportwelt sein.
Aber warum ist die Zusammenarbeit mit Sporteltern so wichtig und über welche Dimensionen reden wir überhaupt? Tatsächlich gibt es keine Hochrechnungen, wie viele talentierte Kinder und Jugendliche Jahr für Jahr in der Sportförderung über alle Jahrgänge und Sportarten hinweg leistungsorientiert ausgebildet werden. Ebenso wenig wird bislang erhoben, wie viele Talente von Vereinen oder Spitzenverbänden pro Saison gescoutet oder deselektiert (ausgemustert) werden, bzw. aus anderen Gründen die Förderblase wieder verlassen.
Für das Beispiel „Fußball“ haben wir aber zumindest einen Teil dieser Zahlen recherchiert. So werden an den 366 Förderstützpunkten in Deutschland jede Saison rund 600.000 Mädchen und Jungen gesichtet.1 Letztendlich durchlaufen in den Landesverbänden etwa 16.000 Kinder im Alter von elf bis 14 Jahren das Talentförderprogramm des DFB, durchgeführt von 1300 Stützpunkttrainern. Dazu kommen Talente, die bereits in den 58 anerkannten Nachwuchsleistungszentren (NLZs) trainieren, verteilt von der 1. Bundesliga bis hinunter zur Regionalliga. Dort ausgebildet werden von Jahr zu Jahr über 9000 Jungen im Grundlagen-, Aufbau- und Leistungsbereich zwischen U11 und U19. Nicht erfasst sind die jüngeren Jahrgänge und viele tausend weiterer Mädchen und Jungen in Nachwuchsförderakademien (keine NLZs) oder bei Juniorenfördervereinen, die neben dem Breitensport auf Leistungsniveau arbeiten und in Jugendverbands- bis Regional-, teils sogar in den beiden Junioren-Bundesligen spielen.
Bei den Juniorinnen sind noch keine vergleichbaren NLZ-Strukturen wie bei den Junioren vorgeschrieben, in ersten Akademien aber bereits vorhanden. Meist aber findet die Ausbildung Unterbringung separat zu den Junioren, oder häufig gemeinsam mit anderen Sportarten an Olympiastützpunkten statt. Daher sind in der weiblichen Talentförderung neben den Vereinstrainern vor allem die Verbandssportlehrer und Stützpunkttrainer wichtige Ansprechpartner und Talentförderer. Tatsächlich werden In den Landesverbänden im Alter U12 bis U19 ca. 4.000 Spielerinnen2 ausgebildet. Für die U17 gibt es die B-Juniorinnen-Bundesliga (3-geteilt mit je 10 Vereinen). Allerdings spielen die hochtalentierten Spielerinnen bereits in den U20-Nachwuchsteams der Frauenbundesligisten, oder in Vereinen der 2. Frauen-Bundesliga.
In Summe geht es alleine im Nachwuchsfußball also um rund 30.000 Mädchen und Jungen in der erfassten Talentförderung plus tausende weiterer im semiprofessionellen Leistungssport. Hochgerechnet über die insgesamt 68 im DOSB3 organisierten Spitzenverbände und statistisch gemittelt ist in Summe von einer Zahl im hohen sechsstelligen Bereich an Kindern und Jugendlichen in der leistungsorientierten Förderung auszugehen – bei den Elternteilen reden wir von weit mehr als einer Million! Es geht also um sehr, sehr viele Sporteltern, die vielleicht nur für ein Jahr, vielleicht aber auch über mehr als eine Dekade Teil der Talentförderung sind.
Die umgekehrte Anforderungs-Pyramide zeigt am Beispiel Fußball, wie die Aufgaben von Sporteltern in der Talentförderung vom Kinderfußball bis hinein in die Spitzenförderung stetig wachsen und von Jahr zu Jahr immer anspruchsvoller werden. Je nach Ausprägung der Talentförderstrukturen trifft vieles davon auch für die meisten anderen leistungsorientiert arbeitenden Sportarten zu.
(Quelle: DFB/Achim Frommann)
Herausforderungen für Familien: Eltern halten das Gleichgewicht
Die Leistungsförderung im Sport betrifft also ein relevanter und wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Vom ersten Tag an nimmt sie Einfluss auf jedes Familiensystem, das dadurch empfindlich gestört wird. Wie bei jeder „Systemstörung“ – egal ob negativ oder positiv motiviert – kommt die Familie in ein Ungleichgewicht, dass von den Eltern wie ein Mobile wieder ausbalanciert werden muss. Ein Prozess, der nur Wochen, sehr häufig aber auch viele Monate bis hin zu Jahren dauern kann, bis die Familie wieder in ein Gleichgewicht bzw. in der Sportwelt wirklich angekommen ist. Die Gründe dafür:
- Eltern hatten bislang kaum Informationsangebote, um sich mit allen Konsequenzen darauf vorzubereiten, was mit dem Eintritt ihres Kindes und der ganzen Familie in den Leistungssport passieren wird
- Es kommt häufig vor, dass Eltern die Sportart, für die ihr Kind Talent zeigt, und deren Besonderheiten nicht kennt und die Eigenheiten einschätzen kann
- Neben vielen engagierten Sporteltern gibt es immer auch jene, die sich für Sport im Allgemeinen, oder für die leistungsorientierte Förderung im Speziellen überhaupt nicht interessieren
- Die meisten Mütter und Väter haben selbst keine eigenen Erfahrungen mit Leistungssport gesammelt, um diese für eine seriöse Bewertung und richtiges Verhalten heranziehen zu können
- Anders, wie bei den meisten Erziehungsfragen, haben die wenigsten Sporteltern ein soziales Umfeld, (Geschwister, eigene Eltern, enge Freunde, Vertraute), dass sich in vergleichbaren Situationen befanden oder befinden, um sich mit solchen Wissensträgern auszutauschen, um Rat einzuholen, um wichtige Entscheidungen abwägen zu können
Darum leiten sich Sporteltern für die Balance des Familiensystems vieles selbst her, machen dabei unbeabsichtigt vieles nicht richtig, oder sind überfordert. Und selbst wenn das Gleichgewicht des Familienmobiles wieder hergestellt wurde, ereignen sich über die Zeit ständig neue Störungen: durch die Talentförderung selbst (Leistungsdruck, Konkurrenz, Erfolglosigkeit, Stammplatzverlust, Verletzung, Leistungseinbruch, Pubertät,…), innerhalb der Familie (verständnislose Geschwister, überengagierte Familienmitglieder, Krankheit, Beziehungsprobleme, Trennungen,…) und durch andere Mikrosysteme (Arbeitsplatzverlust, Todesfälle, Ende von Freundschaften und Beziehungen, politischer und gesellschaftlicher Wandel,…), deren Auswirkungen alle eng mit der Leistung des Kindes in Verbindung stehen. Bis hin zu dem Tag, wenn Talente aus verschiedensten Gründen aus der Talentförderung ausscheiden, der sogenannte „Drop-Out“ folgt und alles ins Gegenteil kippt. Dann wird es für Sporteltern ohne eine professionelle Vorbereitung auf diese Situation besonders schwierig, wieder eine Familienbalance zu finden. Denn nicht nur ihr Kind, auch sie selbst werden weggeschickt. Häufig gar ohne ersichtliche Gründe.
Nachwuchstrainer als Schlüssel zur Förderung
Für die sportliche Förderung sind nicht die Eltern, sondern viele tausend Jugendtrainerinnen und Jugendtrainer in Deutschland die entscheidenden Schlüsselfiguren. Von ihrer fachlichen Kompetenz und praktischen Umsetzungsfähigkeit hängt es ab, ob und wie sich ein Kind oder ein Team entwickeln. Gleichzeitig brauchen Trainer Empathie, pädagogische und psychologische Fertigkeiten, um Fortschritt oder Stagnation in den richtigen psychosozialen und ökosystemischen Zusammenhang setzen zu können. Kommen jetzt noch die Bedürfnisse der Eltern hinzu, scheint das zu leistende Pensum häufig den Rahmen des Möglichen zu sprengen. Die Folge daraus ist häufig eine freundliche Distanz zwischen Nachwuchstrainern und Sporteltern.
Wer sich aber dafür entscheidet, in der Talentförderung zu lehren, egal ob im Verein oder Verband, egal ob in einer Einzel- oder Mannschaftsdisziplin, hat immer auch die Eltern der Talente miteinzukalkulieren und sollte gut auf deren soziales Umfeld vorbereitet sein. Tatsächlich aber fehlt der Punkt „Elternmanagement“ in den allermeisten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Nachwuchstrainer. Es gab in Deutschland bislang auch wenig Fachinformationen oder Anlaufstellen, um alles Wichtige über die Arbeit mit Sporteltern zu erfahren. Wer mangels eigener Kinder selbst keine praktischen Erfahrungen einbringen kann, wie Eltern nun mal so ticken, welche verschiedenen Typen es gibt und warum Eltern aus Schutz für ihr Kind häufig nicht dem Verstand, sondern ihrem Instinkt folgen, ist gut beraten, Information und Aufklärung bei seinem Verein oder Verband einzufordern, oder sich eigeninitiativ weiterzubilden, um Brücken zwischen Nachwuchstrainern und Sporteltern zu bauen.
Vision der Deutschen Sporteltern: Dafür stehen wir als DSE ein
Kein Talent ohne Eltern. Nur durch ihre Entscheidung und Zustimmung zum Eintritt in die Talentförderung einer Sportart und im weiteren Verlauf durch eine bedingungslose Unterstützung der ganzen Familie haben Kinder und Jugendliche eine Chance, ihren Weg in der Talentförderung zielgerichtet zu verfolgen und den Spaß dabei zu behalten. Eltern und Familien müssen daher systematisch auf dem Karriereweg ihres Kindes begleitet, informiert und unterstützt werden. Gleiches gilt für alle Nachwuchstrainer in der Talentförderung. Und im Idealfall werden Sporteltern zum integrativen Teil der Förderstrukturen in Vereinen, Verbänden, oder an den Förderstützpunkten der vielen Sportarten.
Für diesen Weg steht die DSE Deutsche Sporteltern GmbH ein. Als neue und einzige Sportagentur im Elternmanagement sorgen wir mit unseren Angeboten und Bildungsmaßnahmen für Bewegung und sorgen für ein neues WIR-Gefühl zwischen Sporteltern, ihren Familien, Trainern sowie allen Vertrauenspersonen und den Schutzbefohlenen in der Talentförderung. Dann kann ein Kind holistisch und in einem sicheren Umfeld als sportliches Talent, aber auch als heranwachsender junger Mensch entwickelt und auf ein selbstbestimmtes Leben im, aber auch außerhalb des Sports vorbereitet werden.
Tipps für eine erfolgreiche Talentförderung
5 Tipps für Nachwuchstrainer
- Kommunikation – Wer seine Kommunikationskanäle öffnet, auch über die eigene Arbeit, wird wundersames erleben. Eltern fühlen sich abgeholt, verstanden, aufgeklärt und informiert – in Summe wertgeschätzt. So können sie das Handeln des Trainers neu einordnen, werden drohende Konfliktsituationen anders lösen.
- Rollenklarheit – Sie ist die Voraussetzung für eine zielführende Kommunikation mit Sporteltern. Zu Beginn jeder Zusammenarbeit sollte mit allen Beteiligten immer wieder abgeklärt werden, was die gegenseitigen Erwartungen sind und in welchen Rollen sich jeder befindet. So wird elterlichem Fehlverhalten vorgebeugt.
- Elternfallen – Unvorbereitete Sporteltern tappen ständig in Elternfallen (Überidentifikation, Überengagement, Schutzreflex, falsche Ziele), weil sie falsch motiviert, oder instinktiv handeln. Für Trainer ist dann Gelassenheit angesagt und mit Abstand im zweiten Schritt miteinander zu reden, klar, sachlich und lösungsorientiert.
- Wertschätzung – Der Einsatz der Eltern und auch der Familie für die Talentförderung darf niemals als selbstverständlich angesehen werden. Allein ihr zeitlicher Aufwand ist mit einem Minijob vergleichbar. Wer dies wertschätzt, formuliert, nahbar handelt, wird gleiches für die eigene Arbeit erfahren.
- Vertrauen – Trainer sind für die anvertrauten Talente und deren Eltern in Vereinen und Verbänden absolute Vertrauenspersonen. Aber Achtung: Dieser Kredit ist endlich. Darum muss immer verantwortungsvoll, zuverlässig und ehrlich gehandelt werden – notfalls entgegen anderen Interessen. Dann findet Entwicklung statt.
5 Tipps für Sporteltern
- Bedingungslosigkeit – Eltern dürfen die Leistungserwartung an ihr Kind niemals in den Vordergrund stellen. Sonst kann sie zu Belastungen, bis hin zu Schuldgefühlen und Ängsten führen. Die Freude ist die Gegenspielerin der Angst. Darum ist es entscheidend, ein Kind frei von Bedingungen zu begleiten und zu unterstützen.
- Vorbilder – Eine sehr wichtige Elternrolle ist die des Vorbilds. Gleichzeitig sind Eltern zusammen mit dem engsten Familienkreis die einzige Konstante über die Dauer der Förderung. Eltern müssen sich dieser Gesamtverantwortung für alle ihre Kinder immer bewusst sein – auf und neben dem Platz.
- Familienmanagement – Die einschneidendste Erfahrung mit der Talentförderung betrifft das sich ändernde Zeit- und Organisationsmanagement. Für das Talent und ebenso für die Familie. Gleichzeitig dürfen sich Geschwister nicht zurückgesetzt fühlen. Prioritäten sind zu setzen und die Familienplanung ist mit allen abzustimmen.
- Sponsoring – Die Talentförderung belastet das Familienbudget nicht unerheblich. Eltern sollten rasch abschätzen, ggf. konkret rückfragen, welche Kosten für Kleidung, Fahrten, Ausbildungspauschalen, oder für die Gesundheit über einen längeren Zeitraum anfallen werden, um Überraschungen vorzubeugen.
- Sportelternbeauftragte – Führt die Talentförderung in ein Nachwuchsleistungszentrum (NLZ), haben Sporteltern seit der Saison 2023/24 erstmals einen eigenen Beauftragten. Er ist Ansprechpartner, für deren Bedürfnisse und Aufklärung verantwortlich. In jeder anderen Sportart sollten Sporteltern vergleichbare Personen erfragen, die sich um ihre Anliegen kümmern, oder Verantwortliche zur aktiven Zusammenarbeit animieren.
Abschluss und Ausblick
Die Talentförderung braucht ein neues WIR-Gefühl, das alle Beteiligten einschließt und unterstützt. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Sporteltern, Nachwuchstrainern und Förderorganisationen können junge Talente nicht nur in ihrem Sport, sondern auch als Persönlichkeiten wachsen. Das ist unser größtes Anliegen und motiviert uns täglich.